Die Verformung von Metallen beruht auf dem Verschieben bzw. Abgleiten von Gitterblöcken. Unterschieden wird zwischn

Einleitung

Die relativ gute Verformbarkeit von Metallen im Vergleich zu anderen Werkstoffen ist eine bedeutsame Eigenschaft. Die Ursache hierfür liegt in der besonderen metallischen Bindung. Die gute Verformbarkeit ist Grundlage für viele Fertigungsprozesse wie bspw. Biegen, Tiefziehen, Schmieden, etc.

Nicht jedes Metall lässt sich jedoch gleich gut verformen. Die verschieden stark ausgeprägte Verformbarkeit lässt sich hauptsächlich auf die unterschiedlichen Gitterstrukturen zurückführen. Um dies nachvollziehen zu können sind zunächst prinzipielle Kenntnisse über die atomaren Vorgänge während einer Verformung notwendig.

Grundsätzlich kann bei einer Verformung zwischen einer elastischen Verformung und einer plastischen Verformung unterschieden werden.

Elastische Verformung

Von einer elastischen Verformung spricht man, wenn sich die Atome bei relativ geringem Kraftaufwand nur leicht verschieben. Nach Wegnahme der Kraft nehmen die Atom ihre ursprüngliche Position wieder ein. Das verformte Werkstück erlangt nach der elastischen Verformung seine ursprüngliche Gestalt wieder vollständig zurück.

Eine elastische Verformung ist eine nicht-bleibende Verformung. Das verformte Material nimmt nach Wegnahme der Kraft seine ursprüngliche Gestalt wieder an.

Animation: Elastische Verformung

Mechanisch belastete Bauteile in Maschinen (z.B. Zylinderkopfschrauben in Motoren) sollten lediglich elastischen Verformungen ausgesetzt sein, um nicht dauerhaft verformt zu werden.

Plastische Verformung

Im Gegensatz zur elastischen Verformung ist bei einer plastischen Verformung die aufgebrachte Kraft relativ groß. Dies führt zum Abgleiten einzelner Atomebenen. Die so entstandenen Verschiebungen bleiben nach Wegnahme der Kraft erhalten. Die einzelnen Atomebenen gehen nicht mehr in ihre ursprüngliche Position zurück sondern haben sich um eine oder mehrere Atomabstände weitergeschoben. Das Werkstück bleibt nach Wegnahme der Kraft dauerhaft verformt.

Eine plastische Verformung ist eine bleibende Verformung. Das verformte material nimmt nach Wegnahme der Kraft seine ursprüngliche Gestalt nicht wieder an.

Bei einigen Fertigungsprozessen, wie bspw. beim Schmieden, Biegen oder Tiefziehen ist eine solche plastische Verformung erwünscht, mithilfe deren die entsprechenden Bauteile dauerhaft ihre gewünschte Form erhalten.

Beachte, dass bei jeder plastischen Verformung der Werkstoff auch immer bis zu einem gewissen Grad elastisch verformt wird (siehe Animation oben). Somit federt der Werkstoff bei einer plastischen Verformung nach Wegnahme der Kraft wieder etwas zurück. Dies wird auch als Rückfederung bezeichnet.

Als Rückfederung bezeichnet man den elastischen Anteil, um den sich ein verformtes Material bei Wegnahme der Kraft wieder zurückformt.

Eine solche Rückfederung muss zum Beispiel beim Biegen berücksichtigt werden. Dies macht es notwendig das Bauteil entsprechend über den gewünschten Biegewinkel hinaus zu biegen, um die Rückfederung zu kompensieren.

Gleitsystem

Die Atomebenen an denen die Atomblöcke während der plastischen Verformung abscheren werden auch Gleitebenen genannt. Nachdem die Atomblöcke um einen oder mehrere Atomabstände aus dem Werkstoff ausgetreten sind, werden diese mikroskopisch als Gleitstufen sichtbar.

Gleitebenen und Gleitstufen
Abbildung: Gleitebenen und Gleitstufen

Da sich mit der Bildung der Gleitstufen auch das Reflexionsverhalten ändert, äußert sich dies in einem Mattwerden der Oberfläche an der entsprechenden Verformungsstelle. Dies ist auch der Grund weshalb die Biegestelle von polierten Rohren oft matt erscheint.

Beachte, dass sich letztlich jeder plastische Verformungsprozess unabhängig der Beanspruchungsart (egal ob Zug, Druck, Biegung, Torsion oder Abscherung) auf ein Abgleiten von Gitterblöcken zurückführen lässt. Aufgrund der starken elektrostatischen Kräfte zwischen den einzelnen Atomen und der damit verbundenen Stabilität, ändert sich die Form der Elementarzelle während den Verformungsprozessen allerdings nicht (dauerhaft)!

Ursache der plastischen Verformung ist das Abscheren von Atomblöcken auf Gleitebenen!

Eine Metall ist dann gut verformbar, wenn es viele Gleitebenen mit möglichst vielen unterschiedlichen Gleitrichtungen gibt. Damit kann ein Verformungsprozess in viele Richtungen gleichzeitig ablaufen, ohne dass die Atomstruktur irreparabel „aufreißt“. Die Kombination aus Gleitebene und Gleitrichtung wird auch als Gleitsystem bezeichnet. Für eine gute Verformbarkeit sollte eine Gitterstrutkur also möglichst viele Gleitsysteme aufweisen.

Als Gleitsystem bezeichnet man die Kombination aus Gleitebene und Gleitrichtung. Je mehr Gleitsysteme eine Gitterstruktur aufweist, desto verformbarer ist das entsprechende Metall.

Die unterschiedlichen Gitterarten wie kubisch-flächenzentriert, kubisch-raumzentriert und hexagonal dichtest gepackt weisen jeweils unterschiedliche Anzahlen an Gleitsystemen auf. Dies ist primär die Ursache für die unterschiedlich gute Verformbarkeit der Gitterstrukturen bzw. der entsprechenden Metalle. Im Beitrag Einfluss der Gitterstrukturen auf die Verformbarkeit wird hierauf näher eingegangen.

Einfluss der Gitterstruktur auf die Verformbarkeit
Abbildung: Einfluss der Gitterstruktur auf die Verformbarkeit

Spannungen

Wie im oberen Abschnitt erläutert, basieren Verformungsprozesse von Metallen auf einem Abgleiten von Atomschichten. Dies ist nur möglich, wenn eine Kraft in geeigneter Weise wirkt. Ein reines „Zusammenpressen“ der Atomstruktur würde nur dazu führen, dass die Gitterblöcke in ihrer Höhe komprimiert werden (Stauchung).

Normalspannung und Schubspannung
Abbildung: Normalspannung und Schubspannung

Ein Abgleiten erfolgt hingegen nur dann, wenn die Kraft so wirkt, dass es zu einer seitlichen „Verschiebung“ der Atomstruktur kommt (Gleitung genannt). Es ist deshalb sinnvoll Kräfte gemäß ihrer Wirkrichtung auf Flächen einzuteilen. So nennt man Kräfte die senkrecht auf Flächen wirken Normalkräfte (Normalkräfte können prinzipiell weiter unterteilt werden in Zugkräfte und Druckkräfte). Kräfte die hingegen parallel zu einer Fläche wirken, werden als Schubkräfte oder Scherkräfte bezeichnet.

Nur Scherkräfte die parallel zur Atomebene gerichtet sind (Schubspannungen), führen zum Abgleiten von Gitterebenen und setzen damit einen Verformungsprozess in Gang.

Ob eine Schubkraft in der Lage ist eine Atomebene zum Abgleiten zu bewegen, hängt nicht nur von der Kraft alleine ab. Darüber hinaus ist natürlich noch entscheidend, wie große die Atomebene ist die abgeschert werden soll. Denn je größer die Fläche der Atomschicht, desto mehr „Bindungspunkte“ zwischen zwei Atomebenen ergeben sich und müssen zum Abgleiten aufgebrochen werden. Es ist die Kraft pro Bindung bzw. die Kraft pro Fläche von Bedeutung!

Solche flächenbezogenen Kräfte werden dann auch als Spannungen bezeichnet. Bei Normalkräfte nennt man diese Spannungen folglich Normalspannungen und bei Schubkräfte entsprechend Schubspannungen (oder Scherspannungen). Die Unterscheidung wird dann auch in der Symbolik deutlich. Wärhend Normalspannungen mit dem griechischen Buchstaben \(\sigma\) (sigma) symbolisiert werden, erhalten Schubspannungen den griechischen Buchstaben \(\tau\) (tau):

\begin{equation}
\label{spannung}
\text{Normalspannung: }\boxed{\sigma=\frac{F_{\perp}}{A}} \;\;\;\;\;\; \text{Schubspannung: }\boxed{\tau=\frac{F_{\parallel}}{A}}
\end{equation}

Normalspannung wirken auf eine Fläche und Schubspannung in einer Fläche!

Dass nur Schubspannungen zum Abgleiten von Atomebenen führen, bedeutet jedoch nicht, dass von außen aufgebrachte Normalspannung an einem Werkstoff nicht auch zur Verformung führen würden! Die Animation unten zeigt, dass die von außen aufgebrachte Normalspannung (Druckspannung) im Inneren des Werkstoffes Schubspannungen hervorruft und Atomblöcke abscheren lässt.

Animation: Plastische Verformung am Beispiel einer Druckbeanspruchung

Durch eine Kräftezerlegung kann dies auch rasch nachvollzogen werden. Hierzu wird die von außen aufgerbachte Kraft in eine senkrechte und eine parallele Komponente zur betrachteten Gleitebene zerlegt. Obwohl von außen als lediglich Normalspannungen aufgebracht werden, entstehen hierdurch in de Gleitebenen Schubspannungen.

Von außen aufgebrachte Normalspannung an einem Werkstoff induzieren im Werkstoffinneren Schubspannungen!

Innere Schubspannung infolge äußerer Normalspannung
Abbildung: Innere Schubspannung infolge äußerer Normalspannung

Man muss also stets unterscheiden: Während auf makroskopischer Ebene sowohl Schub- als auch Normalspannungen zu Verformungen führen, lässt sich der Verformungsprozess auf mikroskopischer Ebene stets auf Schubspannungen zurückführen.

Um ein Verformungsprozess in Gang zu setzen, müssen in den Gleitebenen (und insbesondere in Gleitrichtung) bestimmte kritische aufgelöste Schubspannungen überschritten werden, damit es zum einem Abscheren der Atomebenen kommt. Aufgrund der wirkenden Bindungskräfte zwischen den Atomen kann man theoretische Vorhersagen treffen, ab welcher kritischen Schubspannung dies passieren wird. Für Metalle liegen die Werte im Bereich von 1000 bis 3000 N/mm² (1 bis 3 GPa). Theoretisch muss somit pro Quadratmillimeter Atomfläche eine Kraft von 1000 bis 3000 N in dieser wirken, um sie zum Abscheren zu bewegen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass in der Realität nur ein Bruchteil dieser Spannung benötigt wird, um ein Werkstoff tatsächlich plastisch zu verformen! Die experimentellen Werte liegen eher im einstelligen Bereich zwischen 1 und 30 N/mm²! Die Verformung setzt in der Praxis also bereits bei wesentlich niedrigeren Spannungswerten als theoretisch berechnet ein. Im Abschnitt Verformung am Realkristall wird auf dieses Phänomen näher eingegangen.

Anmerkung: Das Wort „aufgelöst“ im Begriff „kritische aufgelöste Schubspannung“ bedeutet, dass die Kraft, die in der Gleitebene wirkt, auch in Gleitrichtung „aufgelöst“ (zerlegt) werden muss! Die kritische aufgelöste Schubspannung wird dann mit dieser Kraft berechnet! Nur diese aufgelöste Spannung, ist für den Abgleitprozess maßgebend, da sie nicht nur in der Gleitebene sondern eben auch in Gleitrichtung wirk! Mehr Informationen hierzu im Abschnitt Schmid’sches Gesetzt.