Druckänderungsarbeit
Die am Beispiel der Wasserpumpe gewonnene Erkenntnis der Verschiebearbeit, kann bisher auf jedes offene System übertragen werden. Denn letztlich wird bei jedem offenen System eine gewisse Stoffmasse \(m\) mit dem Volumen \(V_1\) und dem Druck \(p_1\) in das System hineingeschoben und mit einem geänderten Volumen \(V_2\) und geändertem Druck \(p_2\) wieder aus dem System ausgeschoben.
Die Verschiebearbeit \(W_S\) ist bei einem offenen System also allein auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Stoffmasse entgegen der Druckunterschiede am Systemeingang und -ausgang verschoben werden muss. Dies ist sowohl bei (nahezu) inkompressiblen Medien wie Flüssigkeiten, aber auch bei kompressiblen Medien wie Gasen der Fall. Bei kompressiblen Medien kommt nun allerdings noch eine entscheidende Tatsache hinzu!
Interaktive Abbildung: Verschiebearbeit
Bisher wurden lediglich die energetischen Prozesse am Ein- und Ausgang des offenen Systems betrachtet. Unberücksichtigt blieben die inneren Vorgänge. Diese müssen für eine Energiebilanz jedoch ebenfalls bedacht werden. So wurde zwar erläutert, dass die in einem offenen System vonstattengehende Druckänderung eine entsprechende Volumenänderung bedingt. Dieser innere Prozess der Volumenänderung wurde in der Energiebilanz aber bisher noch nicht erfasst. Dies musste am Beispiel der Wasserpumpe auch noch nicht berücksichtigt werden, da es sich bei Wasser um ein (nahezu) inkompressibles Medium handelt, das sich ohnehin (fast) nicht komprimieren lässt.
Bei kompressiblen Gasen ruft diese Volumenänderung im Systeminneren allerdings die Volumenänderungsarbeit \(W_V\) auf den Plan! Schließlich komprimiert sich ein Gasvolumen nicht von selbst von \(V_1\) auf \(V_2\) sondern nur unter Arbeitsaufwand! Neben der Verschiebearbeit, die an den Grenzen des offenen Systems auftritt (beim Massendurchtritt), muss vor allem bei Gasen auch noch die im Inneren umgesetzte Volumenänderungsarbeit \(W_V\) berücksichtigt werden.
Abbildung: Volumenänderungsarbeit
Man kann sich die in einem offenen System ablaufenden Vorgänge anschaulicher vorstellen, wenn man die eintretende Stoffmasse als geschlossenes System betrachtet. Man denkt sich also eine gedankliche Blase um den eingesaugten Stoff, z.B. eine "Plastiktüte". Durch die Blase tritt selbst keine Masse, d.h. diese Betrachtung bildet ein geschlossenes System. Dieses geschlossene System - also die darin befindliche Masse - wird nun beobachtet, wie es durch das offene System strömt und welche Zustandsänderungen es dabei durchläuft. Die Pumpe wird in einer solchen Betrachtung dann häufig nicht mehr als offenes System sondern als sogenannter Kontrollraum bezeichnet. Man betrachtet also ein geschlossenes System, wie es sich durch einen Kontrollraum bewegt.
Animation: Bewegtes geschlossenes System durch den Kontrollraum
In einer solchen Betrachtungsweise werden nun nochmals die unterschiedlichen Energieumsätze deutlich. Die Verschiebearbeit bezieht sich lediglich auf das Durchschieben der betrachteten Masse aufgrund der wirkenden Druckunterschiede an den Kontrollraumgrenzen. Die Volumenänderungsarbeit hingegen bezieht sich auf den Arbeitsumsatz im Inneren des Kontrollraums, d.h. auf den Arbeitsumsatz der nötig ist, um die betrachtete Masse beim Durchströmen des Kontrollraumes zu komprimieren.
Beide Energieumsätze - Verschiebearbeit und Volumenänderungsarbeit - sind vom offenen System zu erbringen (z.B. vom Motor eines Verdichters bzw. Kompressors). Da sowohl die Volumenänderungsarbeit \(W_V\) als auch die Verschiebearbeit \(W_S\) aufgrund der Druckänderung während dem Durchströmen entstehen, wird die Summe beider Energieumsätze auch als Druckänderungsarbeit \(W_D\) bezeichnet:
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{5715}
&W_D = W_V + W_S \\[5px]
\label{4461}
&\boxed{W_D = - \int\limits_{V_1}^{V_2}p(V)~\text{d}V + p_2~V_2 - p_1~V_1 }
\end{align}
bzw. als spezifische Druckänderungsarbeit \(w_D\):
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{8858}
&\boxed{w_D = - \int\limits_{v_1}^{v_2}p(v)~\text{d}v + p_2~v_2 - p_1~v_1 }
\end{align}
Dass ein offenes System neben der Verschiebearbeit auch noch Volumenänderungsarbeit umsetzt, wird spätestens dann deutlich, wenn man bspw. den Ein- und Auslass eines laufenden Verdichters für kurze Zeit verschließt. Für diese Zeit muss der Verdichter dann zwar keine Verschiebearbeit mehr umsetzen. Das im Inneren befindliche Gas wird aber dennoch komprimiert. Somit fällt weiterhin Volumenänderungsarbeit an. Das offene System wird praktisch zu einem geschlossenen System, in dem lediglich Volumenänderungsarbeit anfällt.
Die Druckänderungsarbeit entspricht im einfachsten Fall jenem Arbeitsumsatz der insgesamt in einem offenen System anfällt. Diese Druckänderungsarbeit müsste im Falle einer Pumpe (bei Flüssigkeiten) oder im Falle eines Verdichters (bei Gasen) vom Pumpenmotor bzw. vom Verdichtermotor bereitgestellt werden. In dieser reibungsfreien Betrachtung sind Änderungen der kinetischen und potentiellen Energie vernachlässigt. Unter welchen Bedingungen solche Vernachlässigungen zulässig sind wird im Abschnitt Enthalpie näher erläutert.
Beachte, dass in einem offenen System die Verschiebearbeit \(W_S\) und die Volumenänderungsarbeit \(W_V\) im Prinzip immer gemeinsam auftreten, eben als Druckänderungsarbeit \(W_D\). Schließlich ist eine Druckänderung im Allgemeinen auch immer mit einer Volumenänderung verbunden. Lediglich für den theoretischen Fall eines perfekt inkompressiblen Mediums (das es in der Realität jedoch nicht gibt), würde nur die Verschiebearbeit im offenen System anfallen. Denn ohne Volumenänderung (\(\text{d}V=0\)) existiert auch keine Volumenänderungsarbeit. Somit bliebe als Arbeitsumsatz lediglich die Verschiebearbeit zu verrichten, da der Stoff ja weiterhin in das offene System ein- und bei geändertem Druck (allerdings gleichgebliebenem Volumen \(V\)=\(V_2\)=\(V_1\)) wieder ausgeschoben werden muss.
Für diesen inkompressiblen Fall ergibt sich die Druckänderungsarbeit \(W_D\) beim Durchströmen des Volumens \(V\) durch das offene System lediglich aus Druckänderung \(\Delta p\) die das offene System erzeugt:
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{2394}
&W_D = - \int\limits_{V_1}^{V_2}p(V)~\underbrace{\text{d}V}_{=0} + p_2~\underbrace{V_2}_{=V} - p_1~\underbrace{V_1}_{=V}=p_2~V-p_1~V = V~(p_2-p_1)= V \cdot \Delta p \\[5px]
\label{9679}
&\boxed{W_D = V\cdot\Delta p}~~~\text{gilt nur für den inkompressiblen Fall eines offenen Systems}
\end{align}
bzw. als spezifische Druckänderungsarbeit \(w_D\):
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{3376}
&\boxed{w_D = v\cdot\Delta p}~~~\text{gilt nur für den inkompressiblen Fall eines offenen Systems}
\end{align}
Auch wenn ein solcher inkompressibler Fall praktisch nicht existiert, so kann er dennoch für Flüssigkeiten in sehr guter Näherung als solcher betrachtet werden, da diese als nahezu inkompressibel gelten. Für alle anderen Fälle, insbesondere bei kompressiblen Medien wie Gasen, ist die Druckänderungsarbeit nach Gleichung (\ref{4461}) bzw. Gleichung (\ref{8858}) zu ermitteln. Diese Gleichung lässt sich jedoch in einer wesentlich einfacheren Form darstellen. Dies wird deutlich, wenn man sich den Prozess eines offenen Systems in einem \(p(V)\)-Diagramm veranschaulicht. Im nächsten Abschnitt wird hierauf näher eingegangen.