Entropieerzeugung

Im vorherigen Abschnitt wurde am Beispiel eines gasgefüllten Zylinders erläutert, dass nicht nur durch Wärmezufuhr \(Q\) Entropie in ein System transportiert wird (oder auch aus dem System heraus durch eine Wärmeabfuhr) sondern auch Dissipationsvorgänge \(W_{Diss}\) zur Entropieerhöhung beitragen [fahre hierzu mit der Maus über die Abbildung]:

\begin{align}\;\;\;\;\;
&\boxed{\Delta S_{Wärme} = \int \frac{\text{d}Q}{T}}  ~~~~~\text{Entropieänderung durch Wärme} \\[5px]
&\boxed{\Delta S_{Diss} = \int \frac{\text{d}W_{Diss}}{T}}  ~~~~~\text{Entropieänderung durch Dissipation} \\[5px]
\end{align}

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Interaktive Abbildung: Irreversibler Kompressionsvorgang mit Wärmezufuhr

Woher stammt nun aber eigentlich die in das System transportierte Entropie eines Wärmeumsatzes \(\Delta S_{Wärme}\) und die Entropie eines Dissipationsvorganges \(\Delta S_{Diss}\)?

Hierzu wird zunächst der Prozess der Wärmezufuhr betrachtet, auf die die Entropieerhöhung \(\Delta S_{Wärme}\) zurückzuführen ist. Die Wärmezufuhr kommt im vorgestellten Beispiel letztlich durch das heiße Gas der Brennerflamme zustande. Die heißen Gasteilchen prallen mit der Zylinderwand zusammen und übertragen dabei zunächst Energie auf die Teilchen in der Zylinderwand. Die zunehmenden Gitterschwingungen an der Innenseite der Zylinderwand sorgen nun wiederum dafür, dass die Gasteilchen im Zylinderinneren angestoßen werden.

Mit der Wärmeübertragung ist schließlich auch immer ein Entropietransport verbunden. Beachte, dass Wärme und Entropie immer über die Temperatur miteinander gekoppelt sind. Eine Wärmeübertragung ohne Entropie und umgekehrt ist nicht möglich! Während das heiße Gas der Brennerflamme an der relativ kühlen Zylinderwand abkühlt und damit die Entropie abgibt, nimmt die Zylinderwand durch dessen Erwärmung diese Entropiemenge auf.

Anschließend kühlt das kühlere Gas im Zylinderinneren die erwärmte Zylinderwand wiederum ab, während sich das Gas selbst erwärmt. Die zuvor aufgenommene Entropie der Zylinderwand wird dann letztlich auf das Gas übertragen. Im Falle des Entropieumsatzes \(\Delta S_{Wärme}\) wird die Entropie also lediglich von einem System (heißes Gas der Brennerflamme) auf ein anderes System (kühleres Gas im Zylinderinneren) übertragen.

Woher stammt nun die Entropiemenge aufgrund des Dissipationsvorganges \(\Delta S_{Diss}\)?

Um diese Frage zu beantworten, wird der zuvor erläuterte Prozess etwas abgeändert. Das Gas wird weder komprimiert noch wird Wärme zugeführt. Es wird lediglich die schnell rollende Kugel eingeworfen. Bevor dies jedoch geschieht, rufen wir uns nochmals die Interpretation der Entropie als Fähigkeit Wärme zu übertragen ins Gedächtnis. Eine solche Fähigkeit besitzt die Kugel nicht, denn als ideal starres Gebilde ohne Teilchenbewegung kann sie keine Wärme übertragen. Für eine Wärmeübertragung müssten die Teilchen in (ungeordneter) Bewegung sein, um durch eine Temperaturdifferenz einen Teil ihrer Energie auf einen kühleren Körper übertragen zu können.

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Interaktive Abbildung: Irreversibler Dissipationsvorgang einer rollenden Kugel

Wird diese entropielose Kugel in den Zylinder eingeworfen und durch Reibungsvorgänge abgebremst, dann wird  die damit verbundene Bewegungsenergie aufgrund der Energieerhaltung (erster Hauptsatz) in innere Energie dissipiert:

\begin{align}\;\;\;\;\;
\require{cancel}
&\bcancel{Q} + W_{Diss} + \bcancel{W_V}  = \Delta U \\[5px]
&\underline{W_{Diss} = \Delta U} \\[5px]
\end{align}

Es kommt durch die dissipierte Energie somit zu einer Temperaturerhöhung des Gases. Mit der erhöhten Temperatur ist jedoch unweigerlich auch eine Entropiezunahme verbunden, denn schließlich ist das Gas nun verstärkt in der Lage Wärme abzugeben. Mit dem aufgeheizten Gas könnte nun bspw. die Umgebung erwärmt werden. Wie gelangte aber diese zusätzlich Entropie in das System, denn von der Kugel selbst kann sie nicht übertragen worden sein, denn schließlich war bzw. ist sie entropielos. Ganz einfach: Entropie wurde durch den Dissipationsvorgang erzeugt! Aus diesem Grund wird die durch Dissipation erzeugte Entropie auch als \(\Delta S_{erz}\) bezeichnet:

\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{r}
&\boxed{\Delta S_{erz}=\Delta S_{Diss} = \int \frac{\text{d}W_{Diss}}{T}}  ~~~~~\text{Entropieerzeugung durch Dissipation} \\[5px]
\end{align}

Anmerkung: Selbst bei einer nicht idealen Kugel wie sie oben beschrieben wurde, käme es bei dem Dissipationsvorgang zu einer Entropieerzeugung, da sich die Temperaturen schließlich erhöhen und dies eine Zunahme der Entropie bedeutet, die offensichtlich nur durch den Dissipationsvorgang entstanden sein kann.

Wenn aber Entropie erzeugt werden kann, dann schließlich sich natürlich auch die Frage an, ob man diese wieder vernichten kann.

Eine Verringerung der Entropie lässt sich prinzipiell durch Wärmeabfuhr erzielen. Denn durch den Wärmetransport wird schließlich auch immer Entropie übertragen. Die durch den Dissipationsvorgang zusätzlich erzeugte Entropie des Gases kann zwar durch eine Wärmeabfuhr (Kühlung durch die Umgebung) wieder aus dem Zylinder entfernt werden, aber sie wird dabei nicht vernichtet. Sie wird lediglich vom System auf die Umgebung übertragen (genauso wie im ursprünglichen Beispiel die Entropie der heißen Brennerflamme auf das Gas im Zylinderinneren übertragen worden ist). Die Umgebung ist schließlich wärmer geworden und damit entropiereicher. Entropie lässt sich also niemals vernichten.

Die führt zu einer wichtigen Aussage über die Entropie, die häufig auch als "halber Erhaltungssatz" bezeichnet wird:

  • Entropie kann erzeugt, aber nicht vernichtet werden!

Diese wichtige Erkenntnis der Entropie erlaubt es schließlich auch eine Aussage über die Umkehrbarkeit (Reversibilität) von Prozessen zu machen und wird als "zweiter Hauptsatz der Thermodynamik" bezeichnet. Hierauf wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen.

Beachte, dass gemäß Gleichung (\ref{r}) die Entropieerzeugung immer mit einer Dissipation von Energie verbunden ist und umgekehrt.

Wichtig: Die Aussage, dass Entropie nicht vernichtet werden kann, bedeutet nicht, dass die Entropie eines Systems nicht verringert werden könnte. Grundsätzlich lässt sich durch eine Wärmeabfuhr Entropie aus einem System transportieren. Dies hat aber nichts mit einer Vernichtung von Entropie zu tun. Sie wird nur von einem System System auf ein anderes übertragen. Dissipationsvorgänge führen hingegen immer zur Erzeugung von Entropie, da hierdurch mechanische Energie in thermische Energie umgewandelt wird und das System somit verstärkt in der Lage ist Wärme nach außen abzugeben. Gemäß der Interpretation der Entropie als "Fähigkeit Wärme abzugeben" wurde durch den Dissipationsvorgang offensichtlich Entropie erzeugt.

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