Einleitung
Die bisherige Betrachtung der thermodynamischen Prozesse beschränkte sich stets auf die Annahme von reibungsfreien Zustandsänderungen (reversible Vorgänge), bei denen keine Dissipationsvorgänge auftraten. Im Folgenden sollen jedoch explizit Dissipationsenergien (bspw. infolge von Reibungseffekten) mitberücksichtigt werden.
Als Gedankenexperiment wird ein gasgefüllter Zylinder betrachtet, der durch einen beweglichen Kolben verschlossen ist. Das Gas wird nun durch den Kolben reibungsfrei komprimiert. Gleichzeitig wird dem Gas Wärme durch einen Bunsenbrenner zugeführt. Dem Gas wird in diesem Fall sowohl Volumenarbeit \(W_V\) als auch Wärme \(Q\) zugeführt. Beide Energieumsätze führen gemäß dem ersten Hauptsatz zur Änderung der inneren Energie \(\Delta U\) [fahre hierzu mit der Maus über die Abbildung]:
\begin{align}\;\;\;\;\;
&\boxed{Q + W_V = \Delta U} ~~~~~\text{OHNE Berücksichtigung von Dissipationsenergien} \\[5px]
\end{align}
Interaktive Abbildung: Reversibler Kompressionsvorgang mit Wärmezufuhr
Die hervorgerufene Entropieänderung des Gases kann durch die zugeführte Wärme \(Q\) ermittelt werden:
\begin{align}\;\;\;\;\;
&\boxed{\Delta S_{Wärme} = \int \frac{\text{d}Q}{T}} ~~~~~\text{Entropieänderung durch Wärme} \\[5px]
\end{align}
Dieser Prozess wird nun nochmals wiederholt. Diesmal befindet sich jedoch ein von innen selbstverschließendes Loch an der Seite des Zylinders, sodass das Gas nicht ausströmen kann. Durch dieses Loch wird während der Zustandsänderung eine sehr schnell rollende Kugel eingeworfen. Die Kugel ist in unseren Gedanken ein ideal starres Gebilde ohne Teilchenbewegung; sie erfährt selbst auch keine Erwärmung und beeinflusst nicht das Gasvolumen. Durch Reibungseffekte wird die Kugel im Zylinderinneren schließlich rasch abgebremst. Die kinetische Energie der Kugel kann sich natürlich nicht in Luft aufgelöst haben. Vielmehr wurde sie nun zusätzlich in innere Energie dissipiert. Sie trägt somit ebenfalls zur Änderung der inneren Energie bei, sodass der erste Hauptsatz unter Berücksichtigung dieser Dissipationsenergie \(W_{Diss}\) wie folgt lautet:
\begin{align}\;\;\;\;\;
&\boxed{Q + W_{Diss} + W_V = \Delta U}~~~~~\text{MIT Berücksichtigung von Dissipationsenergien} \\[5px]
\end{align}
Interaktive Abbildung: Irreversibler Kompressionsvorgang mit Wärmezufuhr
Die zusätzlich Erhöung der inneren Energie durch die Dissipationsarbeit macht sich im vorliegenden Fall durch eine gesteigerte Zunahme der Temperatur bemerkbar (Beachte, dass für ideale Gase die innere Energie direkt mit der Temperatur verknüpft ist). Die Dissipationsenergie hat auf die Änderung der inneren Energie bzw. auf die damit verbundene Temperatursteigerung somit dieselbe Auswirkung wie eine zusätzliche Wärmezufuhr. Aus diesem Grund wird auch häufig behauptet, dass "Reibung in Wärme umgewandelt wird", auch wenn dies fachsprachlich nicht korrekt ist, da der Wärmebegriff anders definiert ist (siehe hier).
Wenn aber die Dissipationsarbeit energetisch gesehen denselben Effekt wie eine Wärmezufuhr hat, dann kann sie bezüglich der Entropieänderung auch ebenso behandelt werden ("\(W_{Diss}=Q_{Diss}\)"). Das Gas hat ja schließlich keine Augen und kann beurteilen ob sich die Temperatur nun aufgrund einer Wärmezufuhr oder durch Dissipationsvorgänge erhöht - der Effekt ist energetisch betrachtet derselbe. Dies bedeutet, dass Entropie offensichtlich nicht nur durch eine Wärmezufuhr in ein System gelangt (\(\Delta S_{Wärme}\)) sondern auch infolge von Dissipationsvorgängen (\(\Delta S_{Diss}\)):
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{r}
&\boxed{\Delta S_{Diss} = \int \frac{\text{d}W_{Diss}}{T}} ~~~~~\text{Entropieänderung durch Dissipation} \\[5px]
\end{align}
Woher stammt nun aber eigentlich im vorleigenden Fall die in das System transportierte Entropie des Wärmeumsatzes \(\Delta S_{Wärme}\) und die Entropie des Dissipationsvorganges \(\Delta S_{Diss}\)? Diese Frage wird im nächsten Abschnitt beantwortet.