Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik

Im vorhergehenden Abschnitt wurde erläutert, dass Entropie zwar erzeugt aber nicht vernichtet werden kann. Diese Aussage wird auch als zweiter Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet. Entropie kann bspw. durch Dissipation von Energie erzeugt werden:

\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{1}
&\boxed{\Delta S_{erz}= \int \frac{\text{d}W_{Diss}}{T}}  ~~~~~\text{Entropieerzeugung durch Dissipation} \\[5px]
\end{align}

Beachte, dass Dissipationsenergien immer positiv sind, da sie gemäß dem ersten Hauptsatz zur Erhöhung der inneren Energie beitragen [siehe Gleichung (\ref{t})]. Deshalb ist auch die erzeugte Entropie nach Gleichung (\ref{1}) stets positiv!

Ein solcher Vorgang der Entropie erzeugt, wurde im Abschnitt zuvor am Beispiel eines gasgefüllten Zylinders erläutert, in das eine rollende Kugel geworfen wird. Der Zylinder sei starr und das Gas damit nicht in der Lage Volumenänderungsarbeit umzusetzen (\(W_V=0\)). Ebensoll soll es sich um ein perfekt wärmeisolierten Zylindern handeln (adiabates System), das keine Wärmeumsätze erlaubt (\(Q=0\)). Aufgrund von Reibungsvorgängen zwischen den Gasteilchen und der Kugel ("Luftwiderstand") wird die Bewegungsenergie der Kugel dabei aber in innere Energie dissipiert. Die Temperatur des Gases steigt folglich an und mit ihr die Entropie [fahre hierzu mit der Maus über die Abbildung]. 

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Interaktive Abbildung: Irreversibler Dissipationsvorgang einer rollenden Kugel

Mit dem ersten Hauptsatz lässt sich die Zunahme der inneren Energie \(\Delta U\) durch die Dissipationsenergie \(W_{Diss}\) vollständig erklären.

\begin{align}\;\;\;\;\;
\require{cancel}
&\bcancel{Q} + W_{Diss} + \bcancel{W_V}  = \Delta U \\[5px]
\label{t}
&\underline{W_{Diss} = \Delta U} \\[5px]
\end{align}

Man kann sich unter energetischen Gesichtspunkten nun die Frage stellen, ob sich dieser Dissipationsvorgang auch umkehren lässt. Konkret müsste dies im vorliegenden Fall bedeuten, dass sich das Gas spontan abkühlt und die Kugel wieder zu rollen beginnt. Wie könnte dies theoretisch ablaufen? Die Teilchen im Gas sind durch ihre Temperatur ständig in ungeordneter Bewegung (Brownsche Molekularbewegung). Die Geschwindigkeit ist statistisch verteilt und unterliegt hierdurch lokalen Schwankungen. Theoretisch könnte es nun durchaus sein, dass zufällig ausreichend viele Gasteilchen von einer Seite her auf die Kugel prallen. Auf der gegenüberliegenden Kugelseite stoßen im selben Moment hingegen zufällig nur wenige Teilchen dagegen. Hierdruch könnte die Kugel von den Gasteilchen theoretisch wieder angestoßen werden. Die Gasteilchen übertragen hierdurch einen Teil ihrer Bewegungsenergie auf die Kugel und werden langsamer - das Gas kühlt ab.

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Abbildung: Theoretischer Umkehrprozess des Dissipationsvorganges

Aus energetischer Sicht (erster Hauptsatz) ist dieser Umkehrprozess also durchaus möglich. Aus der Alltagserfahrung heraus wissen wir allerdings, dass dies in der Realität jedoch nicht passieren wird. Ein solcher Prozess ist in real also nicht umkehrbar, obwohl es der erste Hauptsatz durchaus erlauben würde. In der Fachsprache werden solche nicht-umkehrbaren Vorgänge auch als irreversible Prozesse bezeichnet (engl.: to reverseumkehren). Die vorliegende Irreversibilität lässt sich mit dem ersten Hauptsatz folglich nicht erklären; mit dem zweiten Hauptsatz hingegen schon!

Wie bereits erläutert, wird beim ursprünglichen Dissipationsvorgang offensichtlich Entropie erzeugt. Sollte sich beim Umkehrprozess das Gas nun spontan abkühlen und die Kugel sich wieder in Bewegung setzen, dann müsste in diesem Fall Entropie vernichtet worden sein. Denn schließlich hätte das Gas dann seine Temperatur verringert und mit ihr hätte auch die Entropie abgenommen. Die Kugel hingegen wäre lediglich schneller geworden und nicht wärmer, sodass keine Entropieübertragen vom Gas auf die Kugel stattgefunden hätte. Entropie des Gases müsste beim Umkehrprozess demnach vernichtet worden sein. Dies ist laut zweitem Hauptsatz aber nicht möglich, sodass der Umkehrprozess unter diesem Gesichtspunkt offensichtlich nicht möglich ist!

  • Der zweite Hauptsatz macht eine Aussage über die Richtung von (thermodynamischen) Vorgängen!

Der erste Hauptsatz erlaubt also eine Aussage darüber, ob ein (thermodynamischer) Vorgang prinzipiell stattfinden kann oder nicht. Denn nur unter der Voraussetzung, dass der erste Hauptsatz nicht verletzt wird, d.h. Energie bei dem Prozess weder erzeugt noch vernichtet wird, kann er überhaupt theoretisch ablaufen. Der zweite Hauptsatz erlaubt es nun darüber hinaus eine Aussage zu treffen, ob der energetisch mögliche Prozess in die eine Richtung oder die andere Richtung abläuft. Grundsätzlich wird der Prozess nur in jene Richtung ablaufen bei dem Entropie nicht vernichtet wird. Vorgänge die Entropie erzeugen sind nicht umkehrbar, denn dann müsste Entropie wieder vernichtet werden. Somit sind alle Vorgänge bei denen Energie dissipiert und damit Entropie erzeugt wird, irreversibel - insbesondere Vorgänge mit Reibung!

  • Reibungsbehaftete Vorgänge erzeugen Entropie und sind damit irreversibel!

Anmerkung: Wie im oberen Abschnitt erläutert, ist es zwar theoretisch möglich, dass sich der Dissipationsvorgang umkehren lässt und somit auch Entropie wieder vernichtet werden kann. Die Wahrscheinlichkeit sinkt jedoch sehr stark wenn die Kugel sehr viel Energie dissipiert (z.B. durch eine hohe Bewegungsenergie), denn dann müsste im Umkehrfall auch wieder sehr viel Energie von den Gasteilchen auf die Kugel übertragen werden. Hierzu müssten wiederum sehr viele Gasteilchen mit zufällig identischer Flugrichtung auf die Kugel prallen und dieser Bewegungsenergie verleihen. Mit zunehmender Dissipationsenergie und damit erzeugter Entropie [siehe Gleichung (\ref{1})] nimmt die Wahrscheinlichkeit jedoch sehr stark ab. Die erzeugte Entropie ist deshalb nicht unbedingt ein Maß für die Unmöglichkeit eines Umkehrprozesses sondern vielmehr für die Unwahrscheinlichkeit eines Umkehrprozesses.

  • Die erzeugte Entropie ist ein Maß für die Irreversibilität von thermodynamischen Prozessen!

\begin{align}\;\;\;\;\;
\Delta S_{erz}=0 &~~~\text{reversibler (umkehrbarer) thermodynamischer Prozess} \\[5px]
\Delta S_{erz}>0 &~~~\text{irreversibler (nicht-umkehrbarer) thermodynamischer Prozess}\\[5px]
\Delta S_{erz}<0 &~~~\text{(praktisch) unmöglicher thermodynamischer Prozess}\\[5px]
\end{align}

Am Beispiel der betrachteten Kugel wurde das Dissipieren von Energie anhand von Reibungseffekten erläutert. Jedoch muss für die Energiedissipation und damit für die Entropieerzeugung nicht immer Reibung mit im Spiel sein. Hierzu werden im Abschnitt Beispiele von irreversiblen Prozessen mehrere solche Vorgänge betrachtet.

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