Die Prozessgröße Arbeit
Man stelle sich zunächst ein Gas in einem Zylinder vor, der mit einem beweglichen Kolben verschlossen ist. Man kann dieses Gas nun unter Arbeitsaufwand komprimieren. Man kann das Gas, wenn es nach dem Kompressionsvorgang unter hohem Druck steht, aber auch wieder expandieren lassen. Die zuvor aufgewendete Kompressionsarbeit wird nun in Form von Expansionsarbeit wieder abgegeben [fahre hierzu mit der Maus über die Abbildung].
Interaktive Abbildung: Volumenänderungsarbeit bei einer Kompression/Expansion
Man kann sich nun die Frage stellen, welche physikalische Größe es überhaupt erst ermöglicht, dass ein Gas prinzipiell in der Lage ist Arbeit umsetzen zu können. D.h. welche Eigenschaft muss unbedingt für einen Arbeitsumsatz vorhanden sein. Die Antwort lautet nicht etwa Gasdruck sondern eine noch viel entscheidendere Größe spielt eine Rolle. Es muss nämlich überhaupt erst einmal ein Gasvolumen vorhanden sein. Zum einen, dass sich darin ein Druck aufbauen kann und zum anderen muss sich das Volumen ändern können damit Arbeit umgesetzt werden kann. Nicht zuletzt deshalb spricht man in diesem Zusammenhang ja auch von der Volumenänderungsarbeit. Bei einem isochoren Prozess bspw. wird trotz vorhandenen Gasdrucks keine Arbeit umgesetzt, weil sich das Volumen eben nicht ändert.
Ein Gas ist durch die physikalische Größe "Volumen" also erst in der Lage Arbeit zu verrichten. Nur wenn diese grundlegende Eigenschaft vorhanden ist, dann kann auch der Gasdruck für eine entsprechende Verrichtung von Arbeit sorgen. Das Gas bezieht sozusagen die Arbeit aus seinem Volumen bzw. seiner Volumenänderung. Dies bedeutet umgekehrt: Ohne Volumen(änderung) keine Arbeit! Wird ein Gas bspw. so stark komprimiert dass kein Volumen mehr vorhanden ist, dann wird auch keine weitere Verrichtung von Arbeit mehr möglich sein. Das Volumen ist sozusagen der "Treibstoff" für die Verrichtung von Arbeit; ist dieser "Treibstoff" nicht vorhanden wird auch kein Arbeitsumsatz möglich sein.
Wie viel Arbeit bei einer bestimmten Volumenänderung umgesetzt werden kann, hängt dann im zweiten Schritt vom Gasdruck ab. Ist der Gasdruck niedrig, dann wird auch relativ wenig Arbeit umgesetzt. Ist der Gasdruck hingegen hoch, dann führt die Volumenänderung auch nur zu einem größeren Arbeitsumsatz. Dies kann man sich leicht vorstellen, wenn man zwei gasgefüllte Zylinder hat, wobei einer unter sehr hohem Druck steht und der andere nur einen geringen Gasdruck aufweist. Beide Zylinder sind mit einem beweglichen Kolben verschlossen. Um nun durch Einschieben der beiden Kolben dieselbe Volumenänderung zu erzielen, muss beim Zylinder mit hohem Gasdruck mehr Kraft und damit mehr Arbeit aufgewendet werden im Vergleich zum Zylinder mit geringem Gasdruck [fahre hierzu mit der Maus über die Abbildung].
Interaktive Abbildung: Volumenänderungsarbeit bei großem und geringem Druck im Vergleich
Werden dabei nur sehr kleine Volumenänderungen betrachtet, dann wird sich der Druck während der Kompression in beiden Fällen jedoch nicht merklich ändern. Man erhält eine isobare Zustandsänderung. Für beide Fälle sind diese isobaren Zustandsänderungen in einem Volumen-Druck-Diagramm abgebildet. Da die umgesetzte (Volumenänderungs-)Arbeit der Fläche unter der Zustandskurve entspricht, wird auch grafisch nochmals deutlich, dass bei vorgegebener Volumenänderung höhere Drücke zu größeren Arbeitsumsätzen führen als geringere Drücke.
Für eine infinitesimale Volumenänderung \(\text{d}V\), bei der der Druck \(p\) konstant bleibt, ergibt sich die betragsmäßig umgesetzte Arbeit \(\text{d}W\) als Produkt aus Druck \(p\) und Volumenänderung \(\text{d}V\) (auf das Minuszeichen vor dem Druck wird aus didaktischen Gründen verzichtet, da es für den Betrag der Arbeit ohnehin keine Rolle spielt):
\begin{align}\;\;\;\;\;
&\text{d}W = p \cdot \text{d}V \\[5px]
\end{align}
Umgekehrt gilt dann aber auch, dass anhand der bei einem bestimmten Druck \(p\) umgesetzten Arbeit \(\text{d}W\), die Volumenänderung \(\text{d}V\) bestimmt werden kann:
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{1}
&\boxed{\text{d}V = \frac{\text{d}W}{p}} \\[5px]
\end{align}
Gleichung (\ref{1}) zeigt im Prinzip eine neue Möglichkeit ein Volumen bzw. eine Volumenänderung zu definieren. Nämlich nicht durch ein geometrisches Abmessen eines Raumes sondern durch Arbeit und Druck! So ist bspw. die Volumenänderung eindeutig festgelegt, wenn unter einem konstanten Druck von 3 bar eine Arbeit von 600 J zu verrichten sind. Die Volumenänderung beträgt in diesem Fall 2 Liter:
\begin{align}\;\;\;\;\;
\label{2}
&\text{d}V = \frac{\text{d}W}{p}= \frac{600 \text{ J}}{3 \cdot 10^5 \text{ Pa}}=0,002 \text{ m³} = 2 \text{ l} \\[5px]
\end{align}
Beachte, dass es sich bei den Größen Druck und Volumen um zwei unterschiedliche Arten von Größen handelt. Das Volumen ist eine extensive Zustandsgröße (mengenartige Größe), d.h. sie ändert sich mit der Masse des Systems. So bedeutet bspw. eine doppelte Gasmasse auch ein doppeltes Gasvolumen. Extensive Zustandsgrößen zeigen sich dahingehend, dass diese immer auf die Masse bezogen werden können. Ein auf die Masse bezogenes Volumen wird spezifisches Volumen genannt und entspricht letztlich dem Kehrwert der Dichte. So besitzt Luft unter Normalbedingungen bspw. ein spezifisches Volumen von 0,8 m³/kg (spricht: "0,8 Kubikmeter pro Kilogramm").
Der Druck ist hingegen eine intensive Zustandsgröße, d.h. er lässt sich nicht auf die Masse beziehen. So ergibt bspw. die Aussage eines "spezifischen Drucks" von 1 bar/kg (sprich: "1 bar pro Kilogramm") keinen Sinn. Denn selbst wenn man die doppelte Luftmasse von 2 Kilogramm betrachtet, beträgt der Druck unter Normalbedingungen weiterhin noch 1 bar. Der Druck hat sich also mit der Größe des betrachteten Systems nicht geändert; sehr wohl aber das Volumen, welches auf den doppelten Wert ansteigt. Diese Unterscheidung drückt sich in den extensiven (mengenartigen) und intensiven Zustandsgröße aus.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden:
- das Volumen eines Gases entspricht der Fähigkeit Arbeit zu verrichten
- Arbeitsumsätze führen zu Änderungen des Volumens bzw.
- Volumenänderungen führen zu Arbeitsumsätzen
- Volumenänderungen können über das Verhältnis von Arbeit und Druck definiert werden:
\begin{align}\;\;\;\;\;
\notag
&\boxed{\text{d}V = \frac{\text{d}W}{p}} \\[5px]
\end{align} - wie viel Arbeit verrichtet wird, hängt bei gegebener Volumenänderung vom Druck ab:
\begin{align}\;\;\;\;\;
\notag
&\boxed{\text{d}W = p \cdot \text{d}V} \\[5px]
\end{align} - das Volumen ist eine extensive Zustandsgröße
- der Druck ist eine intensive Zustandsgröße
Neben der Arbeit existiert in der Thermodynamik noch eine weitere Prozessgröße, nämlich die Wärme. Man ist in der Thermodynamik deshalb versucht die oberen Gesetzmäßigkeiten, insbesondere die genannten Aufzählungen, analog für die Wärme aufzustellen. Hierauf wird im nächsten Abschnitt näher eingegangen.